VIP-PARTNERSCHAFTEN
"IN DER WEIHNACHTSZEIT IMMER GUT WÜRZEN!"
Gemeinsam mit Sterne-Koch Alfons Schuhbeck fabrizierte der Verpflegungsdienst des Münchner Roten Kreuzes blecheweise Weihnachtsplätzchen Die verteilen nun die Franziskaner-Mönche an Bedürftige.
Alfons Schuhbeck erinnert sich gern an seine Zeit beim Münchner Roten Kreuz. Anfang der 70er-Jahre hatte er die Kantine der Hauptverwaltung in der Seitzstraße gepachtet und kochte dort jeden Tag für 300 Rotkreuz-Mitarbeiter. „Das war eine tolle Zeit! Ich hab jeden gekannt und gewusst, wer wo im Einsatz gewesen war.“ Zwei Gerichte zur Auswahl gab es, davor eine Suppe und nachmittags Kaffee und Kuchen. Schelmisch grinst Alfons Schuhbeck: „Als ich mich als Pächter bewarb, wurde mir gleich mitgeteilt, dass ich bereits der Fünfundvierzigste auf der Anwärterliste sei. Besonders wichtig waren meinem Gesprächspartner die Backfertigkeiten für das Nachmittagsgebäck. Backen konnten die meisten anderen Bewerber nämlich nicht.“ Schuhbecks Kenntnisse in diesem Bereich waren ebenfalls minimal, was er seinem Gegenüber jedoch tunlichst verschwieg. In Paris, London, Salzburg und Genf hatte der junge Alfons das Kochen gelernt und dabei die Edeladressen der Gastronomie durchlaufen – das Konditorenhandwerk beherrschte er allerdings nur ansatzweise. Doch kaum hatte er aufgrund seiner Schummelei den Pachtvertrag in der Tasche, wollte er den Erwartungen nun auch entsprechen und ließ sich von einem Münchner Bäcker schulen: „Jeden Morgen um drei habe ich Backen gelernt, danach ging es zum Einkaufen in die Großmarkthalle und zum Schlachthof, zwischen elfe und drei wurden in der Kantine die Mahlzeiten zubereitet. Ohne das Rote Kreuz hätte ich das Backen nie so professionell betrieben!“ Die Angestellten des Kreisverbandes wussten seine Talente zu schätzen und vermissten ihren Alfons, als dieser zwei Jahre später zu neuen Herausforderungen aufbrach.
An einem Herbsttag dieses Jahres kommen die beiden Welten wieder zusammen: Drei Helfer des Verpflegungsdienstes vom Münchner Roten Kreuz haben sich mit Alfons Schuhbeck verabredet, um in seiner Kochschule am Platzl kiloweise Weihnachtsplätzchen zu backen. In der Adventszeit sollen diese an eine Essensausgabe für Bedürftige, welche die Franziskaner-Mönche in ihrem Kloster betreiben, geliefert werden. Die Schuhheck-Küche hat sämtliche Zutaten gestellt und die Teige vorbereitet. Gemeinsam mit den Rotkreuz-Helfern geht es nun ans Ausrollen, Ausstechen, Backen und Verzieren. Alfons Schuhbeck, der sich mittlerweile auch als Gewürzpapst einen Namen gemacht hat, geht beim Würzen seines Backwerks neue Wege: „Gewürze und Plätzchen sind eine prima Kombi – denn viele Gewürze regen den Stoffwechsel an. Daher sollte man in der Weihnachtszeit, in der man traditionell kalorienreich isst, immer gut würzen.“ Ingwer, Kardamom, Anis, Apfel und Koriander geben seinem Weihnachtsgebäck eine ganz eigene Note. Dabei liegt die Kombination der Würzung nicht immer nahe: „Würzen hat auch etwas mit Mut zu tun!“
Hajo Gemach, der Fachdienstleiter Betreuungsdienst/Verpflegungsdienst des Münchner Roten Kreuzes, verziert ein Brett voller Plätzchen sorgfältig mit Schokoguss. „Als hätten Sie’s Ihr Leben lang gemacht!“, kommentiert Alfons Schuhbeck. Tatsächlich entdeckte Hajo Gemach seine Leidenschaft fürs Kochen schon früh: Als Student jobbte er in Wirtschaften und arbeitete sich in der Küche „von den Salaten bis zum Fleisch hoch“. Parallel engagierte er sich beim Roten Kreuz – und so war es quasi eine logische Folge, dass er irgendwann beim Verpflegungsdienst kochte. Sabine Wagmüller, stellvertretende Vorsitzende des Münchner Roten Kreuzes und ebenfalls Helferin im Verpflegungsdienst, betrieb vor Jahren einen Partyservice und lebt ihr Fach nun im Ehrenamt weiter. Der Jüngste im Bunde, Nicolas Stamou, kam eher zufällig zur Feldküche. Der Student leistet hauptsächlich Sanitätsdienste, auf der Wiesn, bei Konzerten in der Olympiahalle und im Circus-Krone-Bau oder bei Fußballspielen in der Allianz-Arena. Alfons Schuhbeck, der die Spieler des FC Bayern bekocht, weiß, was die Sanitäter leisten: „Wenn es auf dem Spielfeld mal ernsthaft brennt, sieht man, was die können! Gäbe es euch nicht, würde etwas Wichtiges fehlen.“
Hajo Gemach berichtet von der Einsatzpalette des Verpflegungsdienstes: Da sind die BRK-internen Veranstaltungen wie das alljährliche Symposium sämtlicher bayerischen Schulsanitäter – mehr als achthundert Teilnehmer werden dort bekocht. Oder spontane Einsätze wie die Versorgung von Fahrgästen ausländischer Reisebusse, die so manches Mal in der Nacht auf den Autobahnen rund um München liegen bleiben. Bis der Ersatzbus eintrifft, versorgt der Verpflegungsdienst die über viele Stunden fern jeder Raststätte Gestrandeten mit heißem Tee und belegten Brötchen. Dann gibt es die sogenannten Großschadensereignisse, wie im vergangenen Jahr den Bombenfund in Schwabing: Während die alte Fliegerbombe entschärft wurde, mussten Zehntausende Menschen ihre Wohnungen verlassen. Einen Teil brachte das Rote Kreuz in Turnhallen unter, und der Verpflegungsdienst sorgte für das leibliche Wohl. Den bislang wohl größten Einsatz in der Historie erforderte das Hochwasser in Niederbayern 2013: Hajo Gemach und viele weitere Rotkreuzler griffen den Helfern in Passau unter die Arme. Von morgens zwei Uhr bis Mitternacht arbeiteten die Freiwilligen in Schichten; der Münchner Verpflegungsdienst verarbeitete die von Firmen gespendeten Lebensmittel zu Mahlzeiten für täglich fünftausend Helfer.
Die Aktiven in der Feldküche setzen sich aus Sanitätern aller 36 Münchner Rotkreuz-Bereitschaften zusammen. Etwa 30 Helfer pro Einsatz kochen und geben das Essen aus. Zubereitet werden die Mahlzeiten in der ehemaligen Kantine der Hauptverwaltung, der früheren Wirkungsstätte von Alfons Schuhbeck. Abgefüllt in Thermophoren, gelangen sie per LKW – mit Geschirr und Besteck für unter Umständen mehrere Tausend Leute – zum Einsatzort. Die meisten Helfer haben einfach nur Spaß an der Küchenarbeit, drei jedoch haben die offizielle Ausbildung zum Feldkoch durchlaufen: Die Auswahl geeigneter Gerichte für die Massenverpflegung, Mengenberechnungen, die Erstellung entsprechender Einkaufslisten und der Umgang mit dem Gasherd – all dies haben sie professionell gelernt. Die Palette der Mahlzeiten reicht von der Leberkassemmel für Großeinsätze bis zum Geschnetzelten mit Reis oder Schweinsbraten mit Knödeln, wenn es sich „nur“ um tausend zu Versorgende handelt.
„Und ihr macht das alles ehrenamtlich?“, fragt Alfons Schuhbeck nach. Nicolas Stamou nickt, während er die Marmeladenfüllung für sein Plätzchenblech vorbereitet: „Wir sind sozusagen 365 Tage im Jahr über 24 Stunden in Bereitschaft – wenn nachts irgendwo ein Piepser ertönt, rückt oft auch der Verpflegungsdienst mit aus.“ Die Arbeit in der Feldküche kennt Alfons Schuhbeck noch aus seiner Bundeswehrzeit: „Schon damals wusste ich vieles besser – da habe ich mir oft Ärger eingehandelt.“ Die Rotkreuz-Helfer dagegen freuen sich über seine Tipps für die Massenverpflegung: „Bei den Fetten schön runter mit der Temperatur, zu heiße Fette sind gesundheitsschädlich. Und immer erst am Schluss würzen, damit sich die Gewürze wohlfühlen.“ Auch für die Weihnachtsbäckerei gibt er gern Gewürztipps weiter: „Geriebene Tonkabohne verleiht sämtlichen Mürb- oder Rührteigen, auch Vanillesoße oder Bayerischer Creme, eine tolle Note. Lebkuchengewürz macht sich in Butterwaffeln gut, arabisches Kaffeegewürz im Schokoladenbrot.“ Sabine Wagmüller möchte wissen, wie der Verpflegungsdienst den heißen Tee, der bei der Massenverpflegung als Erstes angeboten wird, geschmacksmäßig variieren kann. Alfons Schuhbeck rät zu Holunderblütensirup zum Süßen. „Frische Minze gibt zusätzlichen Pep. Man muss sich einfach trauen!“
Am Ende des Austauschs sind alle Plätzchen verziert und in weihnachtliche Blechdosen abgefüllt. Schon liegt eine Prise Feststimmung in der Luft. Ob es am Lebkuchengewürz liegt? Beim Abschied verrät Alfons Schuhbeck den Rotkreuz-Helfern sein persönliches Weihnachtsritual: „Ich gehe am Heiligen Abend immer auf den Friedhof. Dort sind dann alle Kerzen angezündet, das strahlt eine unglaubliche Ruhe aus.“
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"SEID IHR ALLE BAYERN-FANS?"
Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein auf privater Recherche beim Sanitätsdienst in der Allianz-Arena: Da erfuhr selbst die Fußballexpertin viel Neues.
„Sieg, Unentschieden oder Niederlage!“ ist die Maxime, die unten auf dem Rasen gilt. Hier oben, im zweckmäßigen Flutlicht einer Rotkreuz-Sanitätswache, zählt Einsatzleiter Jürgen Terstappen seine eigenen Fußballformeln auf: „Die kritischsten Momente eines Spiels erleben wir davor und danach – wenn die Massen in Bewegung sind“, „Statistisch gesehen wird bei jedem vierten Spiel eine Reanimation erforderlich“ und „Wenn die Sommersonne auf die Nordkurve brennt, sind vermehrt Kreislaufzusammenbrüche zu behandeln“. Während beim Start der Bundesliga-Rückrunde vor dem Spiel des FC Bayern gegen Greuther Fürth die Fanbusse vor der Allianz-Arena einparken, die ersten Besucher an den Würschtelständen anstehen oder ihre Transparente auf den Tribünen befestigen, bereiten sich Jürgen Terstappen und seine Helfermannschaft auf den Einsatz vor. Tief im Bauch der Arena liegt der Sanitätsraum, in dem vier der eingeteilten siebzig Helfer ihre Ausrüstung überprüfen. Doch heute ist der erste Zivilist, der erscheint, kein Patient, sondern Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein, die sich auf Einladung des Sanitätsdienstes über dessen Arbeit informieren möchte. Zwar ist Allianz-Arena ihr „zweites Wohnzimmer“, wie sie sagt, aber dieser Teil der Kulissen war ihr noch nicht bekannt.
Geübt im Fragen lässt sie sich die Funktionen der vielen medizinischen Gerätschaften erklären. Vor Jahren lag sie wegen akuter Atemnot nach einem Wespenstich selbst einmal im Sanka, aber naturgemäß hatte sie dort keine Muße, sich mit der Arbeit ihrer Retter zu beschäftigen. Heute ist sie ganz Ohr – und bass erstaunt, als sie erfährt, wer bei diesem Spiel so alles Sanitätsdienst leistet: eine Erzieherin, ein Öffentlichkeitsreferent, ein Kachelofenbauer, ein Abwasser-Fachmann, eine Laborantin ... sogar Schüler sind zur Schicht angetreten. Sie alle arbeiten ehrenamtlich beim Münchner Roten Kreuz, was für den Einsatzleiter in Zeiten von Gleitzeit und Überstunden die größte Herausforderung in der Planung bedeutet: für Einsätze dieses Umfangs ausreichend Personal zu finden, das nicht gleichzeitig vom Arbeitgeber beansprucht wird. Drei Stunden vor Spielbeginn rücken die Teams an; die Letzten beenden ihren Dienst erst lange nach dem Abpfiff, wenn auch die letzte Stadiongaststätte das Licht ausknipst. Vor allem an Werktagen, in den „englischen Wochen“, gestaltet sich die Besetzung dieser Mammutdienste äußerst schwierig. Entsprechend aufwendige Management-Aufgaben fallen für die Organisatoren, zusätzlich zum eigentlichen Einsatz, an.
Katrin Müller-Hohenstein fragt nach den Qualifikationen der Helfer. Eine Sanitätsausbildung hat hier jeder, viele fahren zusätzlich Rettungsdienst. Ende November konnten sie einem 79-jährigen Zuschauer nach einem Herzstillstand das Leben retten. Nicht immer, je nach Vorerkrankung des Patienten, gelingt dies. Jürgen Terstappen erinnert sich an den tragischen Tod eines Fans, der den Arenabesuch von seiner Familie zum 76. Geburtstag geschenkt bekommen hatte: „Vor den Augen seiner Angehörigen brach er zusammen. Wir konnten ihm nicht mehr helfen.“ Hier hakt Katrin Müller-Hohenstein ein: „Ist es nicht belastend, zu einem Einsatz gerufen zu werden, ohne zu wissen, was einen konkret erwartet?“ Denn falls die Bitte um Hilfe von einem Laien ausgeht, ist die Diagnose aus der Ferne oft schwer. Meistens offenbart sich das Ausmaß des Notfalls erst, wenn die Sanitäter vor Ort eintreffen. „Die meisten, die unsere Wache aufsuchen, fragen allerdings nur nach einer Kopfschmerztablette oder einem Pflaster“, rückt Jürgen Terstappen das Bild zurecht, „glücklicherweise beherrschen die kleinen Hilfeleistungen unsere Einsatzstatistik.“ Immerhin: Pro Fußballspiel sind drei bis fünf Abtransporte von verletzten oder erkrankten Fans in Münchner Kliniken zu verzeichnen.
Koordiniert werden die Aktionen in der Einsatzzentrale des Roten Kreuzes. Katrin Müller-Hohenstein besichtigt den schlauchartigen Raum ganz oben im Stadion. Durch eine riesige Scheibe an der Stirnseite hat der Leiter der Einsatzabwicklung Zuschauerränge und Spielfeld im Blick. Monitore bilden zusätzlich das Umfeld der Arena – Parkplätze, U-Bahnhof und Autobahnen – ab. An den Wänden hängen Ortspläne von jedem Winkel des Stadions. Wer hier das Sagen hat, dirigiert Helfer-Teams, Notärzte und Fahrzeuge – im Extremfall auch die PKW-Schlangen der Besucher. Denn der Arm am Schaltpult reicht weit: Per Knopfdruck können die Einsatzkräfte in der Zentrale sogar die Zufahrten zu den Autobahnen sperren, falls der Ernstfall dies erfordert. Der gute Überblick der Koordinatoren trägt dazu bei, dass die Sanitäter meist innerhalb von zwei Minuten beim Patienten eintreffen. „Im Stadion geht’s doch zu, da herrscht Gedränge ...“, gibt Katrin Müller-Hohenstein zu bedenken. Doch gleich nach dem Bau der Allianz-Arena haben die Helfer während Übungen und Ortsschulungen ihre Abläufe den Örtlichkeiten angepasst und die kürzesten Wege festgelegt – zum Teil aber auch neue Rettungskonzepte entwickeln müssen. So erwies sich beispielsweise die Bergung eines Patienten mit der Trage auf dem steilen oberen Rang als zu riskant; für diese Einsätze wurde ein spezielles Tragetuch entwickelt.
Die Moderatorin und der Leiter Einsatzabwicklung diskutieren über die Gefahren der Pyrotechnik. Rauch auf den Rängen ist für die Sanitäter das höchste Alarmzeichen: Bis zu 1000 Grad Hitze können die Feuerwerkskörper entwickeln. Wenn jemand fahrlässig damit umgeht und die Flammen an Haut oder Kleidung Umstehender gelangen lässt, gibt das üble Verletzungen. „Ist der bayerische Fan ein Besonderer?“, will Katrin Müller- Hohenstein wissen. „Im Vergleich zu beispielsweise Dortmund-Anhängern sind die bayerischen Fans leiser“, ist die Antwort, „dafür machen sie aber auch weniger Krawall!“
„Seid ihr hier alle Bayern-Fans?“, erkundigt sich die Besucherin. Natürlich befinden sich unter den Sanitätern glühende Anhänger der Heimmannschaft, die, solange kein Einsatz ruft, das Spiel verfolgen. Kontakt zu den Spielern bekommen sie jedoch nur selten. Am meisten Chancen haben da noch die Tragen-Teams am Spielfeldrand. Eines sucht Katrin Müller-Hohenstein am Ende ihres Besuchs auf. Drei Teams sind rund um den Rasen postiert und werden aktiv, wenn sich ein Spieler verletzt. Die 18-jährige Kristina Meyle half bereits bei ihrem ersten Einsatz an der Linie dabei, Holger Badstuber nach seinem Kreuzbandriss vom Feld zu tragen. „Ich habe gleich gemerkt, dass seine Verletzung ernst war“, erinnert sie sich. Eine solch zarte Person kann man sich kaum beim Hochwuchten der Stahltrage vorstellen, die schon ohne Patient 35 Kilo wiegt. Ihr Teamkollege Roman Dreesbach erklärt: „Ein Tragen-Team besteht aus fünf Leuten: Vier tragen den Patienten, einer koordiniert und bahnt den Weg.“ Für den Ernstfall auf dem Spielfeld ist zusätzlich ein Notarzt des Roten Kreuzes eingeteilt, den sich die Mannschaftsärzte der Bundesliga erbeten haben. Falls ein Spieler, wie unlängst geschehen, mit Herzstillstand auf dem Feld zusammenbricht, sind die Sportmediziner froh über einen erfahrenen Lebensretter.
Nachdem Katrin Müller-Hohenstein nun so viel über Kompetenz und Motivation der Helfer in Erfahrung gebracht hat, will sie zum Abschluss wissen: „Bekommt ihr denn überhaupt Wertschätzung für eure Leistung?“ Ein Geschenkkorb wird erwähnt, den die dankbare Mutter einer jungen Patientin am Folgetag der Behandlung ablieferte. Und Roman Dreesbach erinnert sich an eine Begegnung, die schon einige Jahre zurückliegt: „Es war ein Fußballspiel am Osterwochenende, damals noch im Olympiastadion. Wir Sanis liefen gerade zu unserer Wache, als uns auf dem Gang plötzlich Franz Beckenbauer entgegenkam. Er blieb stehen, schüttelte jedem Einzelnen die Hand und wünschte frohe Ostern!“
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"GUT, DASS IHR DA SEID!"
Der Musiker und Ausdauersportler Joey Kelly traf die Sanitäter des Münchner Roten Kreuzes, die Dienst beim „TV-total-Turmspringen“ leisteten. Schon während der Zeit der großen Kelly-Konzerte hat er die Umsicht der Helfer schätzen gelernt.
Still ruht dieleuchtend blaue Wasseroberfläche. Noch. In knapp zwei Stunden wird die Erkennungsmelodie des „TV-total-Turmspringens“ die Olympia-Schwimmhalle beschallen, während das Publikum mit donnerndem Applaus den diesjährigen Wettkampf der Laien-Turmspringer mit Stefan Raab einläutet. Die Teilnehmer stammen aus den unterschiedlichsten Sparten – sie sind als Sportler, Schauspieler, Sänger oder Moderatoren bekannt und haben nur eines gemeinsam: Vom Turm springen sie ausschließlich für die alljährliche Spaßveranstaltung von Pro Sieben. Dutzende Trainerstunden und die eine oder andere Blessur liegen hinter ihnen; dabei haben sie sich an Salti, Schrauben und Absprünge im Handstand herangewagt. Wenn auch Kandidaten wie der Turner Fabian Hambüchen in puncto Körperbeherrschung über einen stattlichen Vorsprung verfügen, so treibt doch der Ehrgeiz alle, die hier antreten, zu professionellen Resultaten an.
Rund um die beiden Becken unterhalb der Zuschauerränge ist einiges los: Co-Moderatorin Rebecca Mir – noch mit Lockenwicklern in den Haaren – spricht probeweise ihre Texte in die Kamera, über Lautsprecher ertönen die Kommentare des Regisseurs. Bikinimädchen mit buntem Glitzer im Gesicht marschieren zum Fototermin auf. Später werden sie ihre Beine in Plastik-Fischschwänze stecken und als Badenixen das Geschehen beleben. Mitten im Wasser, straff festgezurrt, wartet die knallrote Bühne auf Moderator Steven Gätjen; das Schlauchboot, das ihn dorthin befördern wird, dümpelt am Beckenrand. Bald ist Zuschauereinlass. Oben, im Hintergrund der Empore, reißen die Helfer des Catering-Betriebs Grillwürste aus der Folie und stapeln Plastikbecher neben die Getränkespender. Währenddessen machen sich in den Tiefen der Umkleidekabinen, ganz unten im Keller, die Teilnehmer des Spektakels bereit für den großen Auftritt.
Es ist ein weiter Weg zu Joey Kelly, vorbei an den Garderoben der VIP-Gäste, einem prüfenden Blick des Security-Mannes, dem Schminktisch der Badenixen und einem herrenlosen Bügelbrett bis ans Ende des Kabinenlabyrinths. Eine Visagistin fixiert schnell noch die Embleme diverser Sponsoren auf seiner nackten Brust und macht sie mit einem durchdringend chemisch riechenden Spray wasserfest. Joey Kelly versucht, die Wolke mit den Armen wegzuwedeln, und streckt dann mit breitem Lächeln seinen Besuchern die Hand entgegen. Er hat sich mit den Helfern vom Sanitätsdienst des Münchner Roten Kreuzes verabredet, die hier heute Dienst leisten und nicht nur den Zuschauern medizinische Hilfe anbieten, sondern im Ernstfall auch einen Teilnehmer versorgen. Joey Kelly ist beim Turmspringen seit Jahren ein bekanntes Gesicht, hat sich aber noch nie ernsthaft verletzt. Er weiß jedoch sehr genau, was passieren kann, wenn man einen Sprung nicht in den Griff bekommt und in falscher Haltung auf der Wasseroberfläche auftrifft: „Dann kriegt man richtig Probleme. Rippen oder Armknochen können brechen oder Organe reißen.“ Er fragt die Sanitäter nach der Ausrüstung, die sie für diesen Fall dabei haben. Andreas Koos, Rotkreuz-Einsatzleiter an diesem Abend, erklärt, wann Schaufeltrage und Vakuumbett zum Einsatz kommen. Die Sanitätsdienste bei den Turmspring-Wettbewerben der vergangenen Jahre erwiesen sich glücklicherweise als wenig arbeitsintensiv. „Einige Zuschauer litten wegen der Wärme in der Halle unter Kreislaufproblemen“, berichtet Andreas Koos, „und dann waren da die üblichen Fragen nach einer Kopfschmerztablette.“
„Arbeitet ihr alle fest beim Roten Kreuz?“, will Joey Kelly von der Helferin Marion Neumeier wissen. Sie erklärt, dass der Sanitätsdienst ehrenamtlich geleistet wird und dass alle Helfer hauptberuflich etwas anderes machen. Joey Kelly ist neugierig und erfährt, dass Andreas Koos im Vertrieb sein Geld verdient, Marion Neumeier Fahrzeugtechnik und Magdalena Wolferstetter Betriebswirtschaftslehre studieren. Letztere kam durch ihren Führerschein-Erste-Hilfe-Kurs zum Roten Kreuz. Andreas Koos wurde zum Schulsanitäter ausgebildet. Und Marion Neumeier lernte die ehrenamtliche Arbeit durch ihren Exfreund kennen. „Viele von uns haben in ihren Bereitschaften einen Freundeskreis oder sogar den Lebenspartner gefunden“, erklärt sie den Spaß an der Sanitäterarbeit. „Sind eure Kinder dann auch dabei?“, fragt Joey weiter nach. „Das ist ja wie bei der Kelly Family.“
Er erinnert sich an die stete Anwesenheit der Rotkreuz-Helfer während der Konzerte mit seinen Geschwistern. „Ohne euch hätten viele Zuschauer unsere Auftritte nicht so gut überstanden“, meint er anerkennend. „Vor allem die jungen Mädchen, die hysterisch vor der Bühne zusammenklappten, brauchten dringend Hilfe. Die Sanitäter haben sie aus der Menge gezogen und sich so lange um sie gekümmert, bis sie wieder allein zurechtkamen.“ Als Musiker ist Joey Kelly mittlerweile selten in den Medien. Seit Beginn der 2000er-Jahre tritt er weitgehend als Ausdauersportler in Erscheinung. Als Einzigem gelang es ihm beispielsweise, an allen weltweit stattfindenden Ironman-Veranstaltungen innerhalb eines Jahres teilzunehmen. Zum 100. Jahrestag des Wettlaufs zwischen den Polarforschern Amundsen und Scott unternahm er als Mitglied des deutschen Teams mit Moderator Markus Lanz eine 400 Kilometer lange Expedition zum Südpol. Er durchwanderte Deutschland ohne einen Cent in der Tasche und durchquerte ohne eigenes Geld die USA. Folgerichtig hat er die Vorträge, die er bundesweit rund um die Themen Motivation, Disziplin und Zielsetzung hält, unter das Motto „No Limits“ gestellt.
Trotz all dieser Strapazen musste er selbst nie die Hilfe des Roten Kreuzes in Anspruch nehmen. Doch als Ausdauersportler interessieren ihn der Einsatz der Rotkreuz-Helfer beim München-Marathon und die Wiederbelebung, die während des diesjährigen Laufs bei einem Teilnehmer notwendig wurde. Direkt vor der Sanitätsstation war der 49-Jährige zusammengebrochen, offenbar mit einem Herzinfarkt, und konnte von den herbeieilenden Helfern schnell und professionell versorgt werden. „Gut, dass ihr da seid!“, meint Joey Kelly zum Abschluss des Gesprächs, während sich die drei Helfer auf den Weg zu ihrer Sanitätsstation machen. „Und super, dass ihr auch beim Turmspringen eure Hilfe anbietet.“
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"MAN LERNT HIER FÜRS LEBEN"
Um sich auf seine Rolle als ZDF-„Landarzt“ vorzubereiten, machte Wayne Carpendale eine Sanitätsausbildung beim Münchner Roten Kreuz.
Wenn Wayne Carpendale freitagabends als „Landarzt“ Dr. Jan Bergmann in dem erfundenen Örtchen Deekelsen Organe abtastet und Spritzen setzt, verfolgen das nicht nur Millionen Fernsehzuschauer, sondern auch Claudia Schmucker und Wolfgang Lau vom Münchner Roten Kreuz. Wolfgang Lau ist Intensiv-Kinderpfleger im Schwabinger Krankenhaus und in seiner Freizeit ehrenamtlicher Sanitätsausbilder beim Münchner Roten Kreuz; Claudia Schmucker leitet die Sanitätsausbildung. Kritisch beäugen sie jeden Handgriff des Landarztes. „Die haben die Balance zwischen einer medizinisch orientierten Serie und Unterhaltung gut hingekriegt“, kommentiert Claudia Schmucker. Und ihr Kollege lobt: „Der Wayne macht alles richtig. Man sieht, dass er professionell an seine Rolle herangeht.“
Wolfgang Lau weiß das auch deshalb, weil hauptsächlich er für die Fertigkeiten vom „Wayne“ verantwortlich ist: Im Januar 2008, als Wayne Carpendale den Vertrag für die Landarzt-Rolle gerade in der Tasche hatte, buchte der Münchner Schauspieler einen ganz normalen Sanitätsausbildungskurs beim Roten Kreuz, um später vor der Kamera keine Fehler zu machen. „Die übrigen Teilnehmer haben ziemlich geguckt“, erinnert sich Claudia Schmucker, „als der Wayne da in der Runde saß und sich vorstellte.“ Doch es zeigte sich, dass er den Kurs ebenso ernst nahm wie die anderen und keine Extrawurst erwartete. Er legte sogar größten Wert darauf, auch die Prüfung zu machen, und bestand als Zweitbester.
Dass man sich beim Münchner Roten Kreuz gern an Wayne Carpendale erinnert, wird schnell klar, als dieser ein gutes Jahr nach seinem Kurs noch einmal in die Zentrale kommt, um die alten Bekannten wiederzusehen. Da begrüßt er auf dem Hof den Oliver, einen Rettungsassistenten, mit dem er einige Schichten im Rettungsdienst gefahren ist. ln der Tür zum Übungsraum bleibt er stehen, um mit zwei Kursteilnehmern zu ratschen. Und als er Wolfgang Lau die Hand schüttelt, vertiefen sich die beiden sofort in ein angeregtes Gespräch, aus dem der medizinische Laie nur wenig heraushört.
Die Ausbilder interessiert vorrangig, ob der Kurs seinen Zweck erfüllt hat, nämlich dass sich Wayne bezüglich der medizinischen Handgriffe vor der Kamera sicher fühlt. „Zunächst waren mir die alltäglichen Details wichtig“, sagt dieser, „zum Beispiel das richtige Anlegen einer Blutdruck-Manschette.“ Wenn nun am Dreh besprochen wird, wie man die Szene angehen will, kann Wayne aktiv etwas anbieten. „Natürlich haben wir bei fachbezogenen Szenen Mediziner im Team, die vorher über die Drehbücher gucken, manchmal aber auch neben der Kamera stehen und einschreiten, falls etwas unrealistisch umgesetzt wird.“ Doch dem Schauspieler geht es nicht nur um konkrete Tätigkeiten, sondern auch um Grundsätzliches: Wie redet man mit einem Patienten? Wie fasst man einen Menschen an, der verletzt oder krank ist? „Ich möchte meine Rolle nicht auf Äußerlichkeiten fixieren“, erklärt er, „sondern auch die Arzt-Denke kennenlernen und bestimmte Dinge verinnerlichen. Durch meine Vorbereitung mit Ärzten und dem Roten Kreuz bin ich dem ,Landarzt’ sehr nahegekommen.“ So habe er aus dem Rotkreuz-Kurs auch etwas fürs Leben mitgenommen.
Tatsächlich werden die Teilnehmer einer Sanitätsausbildung – mit bestandener Prüfung dürfen sie Sanitätsdienste übernehmen – umfassend geschult: Sie lernen die erweiterte Erste Hilfe, damit sie einen Patienten so lange fachgerecht versorgen können, bis der Rettungsdienst eintrifft. Vier Wochenenden mit 80 Unterrichtsstunden beinhaltet der Kurs, das hat den Schauspieler ganz schön gestresst: „Unter der Woche hatte ich oft bis spätabends Dreharbeiten, und am Wochenende musste ich die fünf Drehbücher für die kommenden Tage vorbereiten.“ Doch alles ist relativ: „Wenn ich dann am Samstagmorgen übernächtigt zum Roten Kreuz kam und neben mir Kursteilnehmer saßen, die zum Beispiel für die Freiwillige Feuerwehr nach einem Unfall bis fünf Uhr morgens die A9 frei geräumt hatten, fand ich meine Situation nur noch halb so schlimm.“
Einen schweren Unfall erlebte Wayne Carpendale glücklicherweise nicht, als er nach dem Kurs fünf Schichten im Rettungswagen mitfuhr. „Ich hatte zwar ein paar Einsätze“, erinnert er sich, „aber das waren hauptsächlich Kreislaufzusammenbrüche.“ Das, was er im Kurs gelernt hatte, durfte er bei der Versorgung schon anwenden, zum Beispiel den Blutdruck oder den Blutzucker des Patienten messen. Spannend waren die Fahrten zum Einsatzort „Man weiß ja als Helfer oft nicht, was genau einen erwartet. Trifft man gleich auf ein schwer verletztes Unfallopfer oder auf einen Patienten mit einer Vergiftung?“ Und dann der manchmal lange Fußweg vom Wagen zum Patienten: „Da läufst du durch die U-Bahn-Gänge und spürst das Adrenalin, das der Körper ausschüttet.“ Doch vor Ort angekommen, fühlte der Sanitätsneuling, wie die Anspannung einem guten Gefühl Platz machte: „Ich trug eine Uniform – allein deshalb wurde ich hoffnungsvoll angesehen. Offenbar vermittelt schon die Präsenz des Rettungsdienstes Zuversicht.“
Die Sicherheit zu wissen, was im Notfall zu tun ist, verspürte Wayne Carpendale bereits während der Sanitätsausbildung: „Im Kurs haben wir die häufigsten Einsätze immer wieder durchgespielt. Danach fühlte ich mich aufs Gröbste vorbereitet. Bei einem Notfall ruft man dieses Wissen ganz automatisch ab. Schließlich macht man die Ausbildung nicht, um danach Däumchen zu drehen!“
Doch er bemerkte auch ein anderes Phänomen: „Sobald ich als Sanitäter ausgebildet war, passierten um mich herum plötzlich überall Unfälle.“ Gleich an seinem allerersten Drehtag stürzte direkt vor dem „Landarzt“-Haus ein Fahrradfahrer und fiel auf den Kopf. „Wir hatten ja alles in der voll eingerichteten Arztpraxis im Haus“ – Wayne muss heute noch schmunzeln, wenn er sich die Situation vor Augen ruft – „so konnte ich ihn gleich fachgerecht versorgen, bis der Rettungswagen kam.“ Nur wenige Tage später, in der Nähe des Sets, kollidierte ein Auto mit einem Jugendlichen, und Wayne verarztete den Jungen, bis professionelle Hilfe eintraf. Sein außerberufliches medizinisches Engagement sah der Schauspieler allerdings mit gemischten Gefühlen: „Die vom Rettungsdienst müssen sich gedacht haben: Der neue Landarzt nimmt seinen Job wohl etwas zu ernst!“
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"KRUIZFÜNFERL, WAS MACHEN DIE DA?"
Der Regisseur Joseph Vilsmaier liebt die Berge – was nicht nur sein neuester Film „Nanga Parbat“ beweist. Gern folgte er daher einer Einladung der Münchner Bergwacht auf die Stümpfling-Diensthütte und berichtete ausgiebig über die spektakulären Dreharbeiten mit Reinhold Messner im Himalaja.
Es rumpelt ordentlich. Fried Saacke, Leiter der Münchner Bergwacht, steuert den weißen Dienstbus über den Waldweg rauf zur Stümpfling-Hütte. Er ist die Strecke schon x-mal gefahren und weiß, wann er abbremsen und ein Schlagloch oder eine Wasserrinne umfahren muss. Dennoch werden die Insassen immer wieder durchgeschüttelt. Joseph Vilsmaier auf dem Beifahrersitz scheint von den Widrigkeiten der Fahrt nichts zu bemerken. Er zeigt auf einen Gipfel rechts vorn: „Da bin ich früher Ski gefahren.“ Gut erinnert er sich an die Zeit, als die Bretter noch keine Stahlkanten hatten und die Skistiefel bereits unter dem Knöchel endeten. „Da haben wir uns öfter mal den Fuß verdreht. Aber die Bergwacht wurde deshalb nicht gerufen – wir sind, so gut es ging, auf dem gesunden Bein abgefahren und haben uns im nächsten Krankenhaus gemeldet.“
Der Regisseur kennt die Berge nicht nur aus dem Blickwinkel des Freizeitsportlers. Auch beruflich hat er ein Faible für alpine Szenerien: Seinen Debütfilm „Herbstmilch“ über das Leben der Bäuerin Anna Wimschneider drehte er im österreichischen Bergdorf Serfaus und im Landkreis Rottach-lnn. Später folgten „Schlafes Bruder“ mit Szenen aus Vorarlberg und die „Geschichte vom Brandner Kaspar“ in Lenggries und der Jachenau. „Schlafes Bruder“ verdeutlicht Vilsmaiers Liebe zum rustikalen Detail besonders gut: Über Monate kaufte seine Crew historische Bauernhäuser aus dem ganzen Alpengebiet auf und ließ sie am Drehort von Handwerkern, die die alten Techniken beherrschen, originalgetreu aufbauen. Das so entstandene Filmdorf lag auf 2000 Metern, und wegen gefährlicher Szenen und vieler Abfahrten ins Tal nach einem Nachtdreh stand dem Team die österreichische Bergwacht zur Seite. „Das war eigentlich das erste Mal, dass ich engeren Kontakt zur Bergwacht hatte“, überlegt Joseph Vilsmaier. Vor allem das Engagement für den Naturschutz, über den die Kameraden traditionell wachen, wird er während dieser Zeit kennengelernt haben: Er hatte sich für seinen Film eine extrem naturbelassene Gegend ausgesucht – 48 Vorschriften, wie Pflanzen, Tiere und die örtlichen Wasserläufe zu schonen sind, musste die Filmcrew beachten.
So ist dem Regisseur das Aufgabenspektrum der Bergwacht weitgehend bekannt, als er der Einladung der Münchner Kollegen folgt, sich auf der Stümpfling-Hütte über ihre Einsätze und die Ausrüstung zu informieren. Der Bus nimmt die letzten Meter zum Plateau, und Hüttenwart Christoph Krämer sowie Bergwacht-Mann Heinz Neiber kommen aus der Tür, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Im Hauptberuf arbeiten sie in der Informationstechnologie beziehungsweise Telekommunikationstechnik – am Wochenende jedoch ziehen sie die Berg- oder Skistiefel an und versorgen verletzte Wanderer und Skifahrer.
„Die Zahl der Skiunfälle ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen“, erklärt Bergwacht-Leiter Fried Saacke. „Während wir in den 60er- und 70er-Jahren mehrere Hundert Einsätze pro Winter hatten, sind es heute meist nicht einmal hundert.“ Eigentlich eine gute Nachricht, wäre da nicht der Umstand, dass die Verletzungen im Gegensatz zu früher oft lebensgefährlich sind. Christoph Krämer erklärt den Grund: „Die Ausrüstung ist wesentlich besser, dadurch wiegen sich die Skifahrer in falscher Sicherheit und fahren riskanter, als gut wäre.“ Passiert ein Unfall, dann nicht selten mit Schädel- oder Wirbelsäulenverletzungen. Außerdem tummelt sich ein Vielfaches an Sportlern auf den Pisten, sodass es zu schweren Zusammenstößen kommt. Die Bergwacht ist also immer noch unverzichtbar. Konnte sich das Tätigkeitsbild in der Ära des Rettungshubschraubers wenigstens auf die Versorgung vor Ort reduzieren? Leider nicht: „Oft herrscht Nebel im Tal, und der Hubschrauber muss am Boden bleiben“, erklärt Heinz Neiber. „Oder er ist bereits zu einem anderen Einsatz unterwegs.“ ln diesen Fällen übernehmen die Helfer den Abtransport des Verletzten im Ackja – übrigens ein Gefährt, das der Münchner Bergwachtler Ludwig Gramminger zur technischen Reife brachte.
Interessiert beugt sich Joseph Vilsmaier zu einem vor der Hütte bereitstehenden Ackja hinunter und lässt sich die Vakuummatratze erklären. Während man die Luft heraussaugt, schmiegt sich die Unterlage so eng um den Körper des Patienten, dass dieser sogar mit schweren Nackenverletzungen sicher liegt – und die Helfer ihn durchs Gelände ins Tal fahren können. So wie vor drei Wochen, als am Hang gegenüber ein Wanderer stürzte, zehn Meter tief fiel und bewusstlos liegen blieb. Christoph Krämer erinnert sich an die widrigen Umstände der Rettung: „Es war neblig und das Gelände batzig.“ Also ein Komplett-Job für die Bergwacht. „Wenn der Hubschrauber nicht kommen kann, sind unsere Einsätze sehr personalintensiv. Wir sind für die Versorgung jeder Verletzung im unwegsamen Gelände und für den Transport ins Tal zuständig. Dort übergeben wir an den Straßenrettungsdienst.“ Über 5000 Aktive zählt die bayerische Bergwacht, 250 sind es allein in der Münchner Bereitschaft, die an jedem Wochenende der Saison neun Hütten an den Münchner Hausbergen besetzt.
Der Kaffee und der Zwetschendatschi im ersten Stock warten. Doch bevor es nach oben geht, zeigt Hüttenwart Christoph Krämer stolz auf die neu hergerichtete Werkzeugwand neben der Treppe: „Ist erst letztes Wochenende fertig geworden.“ Penibel aufgereiht hängen hier Karabiner, Seile, Steigeisen und anderes Zubehör. „Den Umgang mit der Ausrüstung muss man ständig üben“, erläutert der Helfer, „deshalb hängt sie hier so offen.“ Das Gerät hat es Joseph Vilsmaier angetan: „Geklettert bin ich nie – zu viel Angst. Wenn ich Kletterer in einer Wand beobachtet habe, dachte ich oft: „Kruzifünferl, was machen die da?“ Er nimmt einen Haken in die Hand. „Die Sachen kenne ich von unserem Dreh am Nanga Parbat – aber das, was wir dort dabei hatten, war umfangreicher.“
Gewaltig war nicht nur das Equipment, sondern das gesamte Projekt, das Joseph Vilsmaier vor fünf Jahren in Angriff nahm: einen Film, der die Erstbesteigung des Nanga Parbat über die Rupalwand im Jahr 1970 nachzeichnet. Reinhold Messner und seinem Bruder Günther gelang dieser Aufstieg, doch kurz nach Erreichen des Gipfels verunglückte Günther tödlich.
Es war 2004, kurz vor Weihnachten: Joseph Vilsmaier fand in seinem Briefkasten ein Schreiben von Reinhold Messner vor. Diesem lag ein Film über die damalige Expedition am Herzen, und er wusste, Vilsmaier wäre der Richtige für dieses Projekt. „Er hat ein großes Einfühlungsvermögen für die Leute im Gebirge“, kommentiert Messner seine Wahl. Der Regisseur nahm die Herausforderung an und startete zu Dreharbeiten, die auch ihn als Bergfex an seine Grenzen brachten. Während viele Nahaufnahmen in Südtirol und an einer künstlichen Eiswand in einem Kühlraum des Münchner Schlachthofs gedreht werden konnten, kam für die Landschaftsbilder nur der Originalschauplatz infrage: der Nanga Parbat im Norden Pakistans, mit 8125 Metern der neunthöchste Gipfel der Erde. „König der Berge“ nennen ihn die Einheimischen – als weltweit größte frei stehende Erhebung hat er den Ehrentitel wohl verdient.
Joseph Vilsmaier weiß noch, was er fühlte, als er diesen Koloss das erste Mal mit dem Hubschrauber umflog: „Der Berg war mir unheimlich; er strahlt etwas Gefährliches aus. Man spürt das einfach.“ Die Crew campierte im Basislager auf 4000 Metern Höhe und brach von dort zum täglichen Dreh auf. 50 Sherpas halfen, die Ausrüstung an Ort und Stelle zu transportieren. „Es herrschten bis zu 40 Grad minus, dabei blies der Wind teilweise mit 150 Stundenkilometern“, erzählt der Regisseur. „Wenn man sich da nur kurz hinsetzt, ist man im Nu erfroren.“ Anflüge der Höhenkrankheit erlebte er in der dünnen Luft am eigenen Leib: „Das ist wie nach einer Maß Bier zu viel – du verlierst Orientierung und Gedächtnis, es ist dir alles wurscht.“ Reinhold Messner stand der Crew ununterbrochen zur Seite und war sehr auf ihre Sicherheit bedacht. Aber auch auf fachliche und landschaftliche Details. „Der Reinhold hatte den Ehrgeiz, dass alles genau stimmen muss. Er kennt den Berg in- und auswendig und hat unseren Piloten gezeigt, wo sie gefahrlos landen können.“ Die Eignung des Geländes erschloss sich Joseph Vilsmaier allerdings nicht immer: „Ich bin da so manches Mal lieber im Hubschrauber geblieben.“
„Man braucht einen unglaublichen Willen, um so einen Berg zu besteigen“, weiß Fried Saacke. Christoph Krämer, der selbst in Pakistan geklettert ist, war an vielen Orten, von denen Joseph Vilsmaier spricht. Und als dieser die bekannten Bergsteiger aufzählt, die bei besonders riskanten Szenen gedoubelt haben, können die Bergwachtler nur anerkennend nicken – die kennen sie alle.
Während die Runde den Kaffeetisch abräumt und den Aufbruch vorbereitet, verabreden sich die drei Helfer zum gemeinsamen Kinoabend am 14. Januar. Dann nämlich läuft er an, der Nanga-Parbat-Film von Joseph Vilsmaier. Und der verspricht stolz eine reiche Ausbeute der aufregenden Dreharbeiten: „Lawinen und andere Naturspektakel – wir haben da richtig gute Sachen drin!“